Der folgende Text entstand unter den Eindrücken meines Besuchs auf der letzten Interradio. Ich sollte vorweg erwähnen, dass ich meine Lizenz „erst“ 2006, kurz vor meinem 18. Geburtstag gemacht habe. Den Amateurfunk wie er vor der Jahrtausendwende war kenne ich also nicht aus eigener Erfahrung. Dennoch möchte ich neben Abschiedsworten auch allgemeine Gedanken zur Entwicklung und Zukunft des Amateurfunks äußern und zum Nachdenken anregen.
Nun ist sie also Geschichte, die Interradio. Als ich im Frühjahr zum ersten Mal das Gerücht hörte, die diesjährige Interradio könne die letzte werden, wollte ich es erst nicht so recht glauben. Schließlich gibt es immer wieder eine Menge Gerüchte, von denen sich nicht wenige später als völlig gegenstandslos herausstellen. Sicher aber wollte ich mich aber auch nicht mit dieser unangenehmen Realität anfreunden. Ist das Ende einer Institution wie der Interradio, die jedes Jahr nicht nur norddeutsche, sondern auch Funkamateure und Händler aus den Nachbarländern angelockt hat, nun ein Zeichen eines zunehmenden Verfalls unseres Hobbies? Ist das Internet schuld, die mittlerweile allgegenwärtigen Smartphones, oder interessieren sich einfach immer weniger Menschen für den Amateurfunk?
Zunächst einmal halte ich es für falsch, von einer „Schuld“ zu sprechen. Der Amateurfunk unterliegt wie vieles in der Welt, gerade in der schnelllebigen Gegenwart, einem Strukturwandel. Dieser ist jedoch nichts negatives, sondern das genaue Gegenteil – nur durch Wandel und Anpassung wird es unserem Hobby möglich sein, auf Dauer zu überleben. Und muss das nicht zwangsläufig unser Wunsch sein? Sicher, während manche Entwicklungen begrüßenswert sind, sind andere eher schmerzlich, wie auch der Verlust der Interradio. Aber es gibt letztendlich keine sinnvolle Alternative, als stetigen Wandel und die Endlichkeit so ziemlich aller Dinge zu akzeptieren.
Spricht man mit anderen Funkamateuren über die Zukunft unseres Hobbies, so sehen deren Perspektiven darauf oft eher düster aus. Ich bin davon aber nicht überzeugt. Die häufigsten Argumente sind das hohe Durchschnittsalter vieler Ortsverbände und die seit längerer Zeit stetig rückläufige Zahl an Rufzeichenzuteilungen. Beides sind zweifellos Fakten, die sich aber verschieden interpretieren lassen. Ich erlebe es immer wieder, gerade in den Ausbildungskursen meines Ortsverbandes H13, dass auch viele ältere Teilnehmer dabei sind, die schon seit Jahrzehnten am Amateurfunk Interesse hatten und nun in der Rente endlich die Zeit dafür finden. „Nachwuchs“ ist als kein Synonym für „jungen Nachwuchs“, weshalb das Durchschnittsalter eines Ortsverbandes allein wenig aussagekräftig ist – zumal Nichtmitglieder des DARC dabei ohnehin völlig unberücksichtigt bleiben. Ähnlich sieht es mit der Rufzeichenanzahl aus, da diese nur Zuteilungen erfasst – eine Statistik, die die tatsächlich aktiven Funkamateure darstellt, ist mir nicht bekannt. Genau um diese Aktivität muss uns aber gehen, nicht um eine auf dem Papier schön aussehende Zahl – insofern sagt auch diese Zahl zunächst wenig aus.
Wenn ich mich nun auf der letzten Interradio umgesehen habe, so hatte ich keinefalls den Eindruck, bei einer „Altherrenveranstaltung“ gelandet zu sein. Im Gegenteil, mir schienen so viele junge Menschen wie seit Jahren nicht dort zu sein – vielleicht als Folge der (erfolgreich) versuchten Annäherung an die Hacker- und Makerszene. Nur die Frauenquote war wie immer verbesserungswürdig, aber das ist ein ganz eigenes Thema.
Wie sieht aber der „Funkamateur“ von heute aus? Es geistert seit Jahren immer mal wieder Kampfbegriff der „digital natives“ herum, ich würde eher von der Netzgeneration sprechen. Doch wie man es auch nennt, die Tatsache dass vor allem die junge Generation Funkamateure und somit auch der Amateurfunk an sich mittlerweile durch das Internet geprägt sind wird wohl niemand ernsthaft anzweifeln. Die Frage ist nun, in welchem Verhältnis das weltweite Datennetz und der Amateurfunk zueinander stehen, stehen können und stehen sollten, oder einfacher gesagt ob es Konkurrenz zwischen diesen Medien gibt.
Um es kurz zu machen: Eindeutig bzw. einheitlich lässt sich dies nicht beantworten. Manche Spielarten unseres Hobbies wurden erst durch die Einbindung neuer Technologien in ihrer heutigen Form möglich, beispielsweise die Vernetzung von Repeatern via EchoLink, DMR und dergleichen, gleichgültig was man persönlich davon hält. Auch Conteste und Diplome konnten durch die elektronische Logbuchführung und Auswertung zu einer viel höheren Popularität gelangen.
Dann gibt es Bereiche, in denen das Internet auch nicht mehr Konkurrenz für den Amateurfunk darstellt, als es das Telefon schon jahrzentelang zuvor gewesen ist. Natürlich kann ich einfach dort anrufen, wenn ich mit Japan oder Südafrika sprechen will. Aber was wäre das verglichen mit der Freude, eine solche Station auf Kurzwelle zu entdecken und das Pile-Up zu knacken, vielleicht sogar mit selbstgebautem Equipment? Wer QSL-Karten sammelt, kann sich dann nach einiger Zeit und mit etwas Glück auch noch über eine physische Bestätigung für diese Verbindung freuen. Sicher haben Systeme wie eQSL ihre Daseinsberechtigung, aber für den Liebhaber sind eQSLs genauso wenig Ersatz für eine Papierkarte wie es eine MP3-Datei für eine Schallplatte ist. Auch Notfunk, wenngleich in Europa von eher untergeordneter Bedeutung, steht in keiner Konkurrenz zu Internet und Telefon.
Letztlich gibt es natürlich auch Fälle, in denen Neues sehr wohl Althergebrachtes verdrängt. Wer nutzt beispielsweise in Zeiten von DSL, UMTS und HAMNET noch Packet Radio, oder Rufzeichen-CDs in Zeiten von qrz.com? Auch wenn es mir überraschend schwer fällt, gute Beispiele für solche Fälle zu finden – eine Messe, die hauptsächlich dem Handel dient, ist leider eins davon.
Damit will ich keinesfalls sagen, dass Messen oder Flohmärkte ihre Daseinsberechtigung völlig verloren hätten; schon allein die Tatsache, dass man alles vorher anfassen und ausprobieren kann spricht dagegen. Aber wer wartet heute schon noch ein ganzes Jahr, um bestimmte Bauteile zu bekommen, die er auch jederzeit im Netz bestellen kann, und sei es als Direktimport? Auch auf besonders günstige Messepreise beispielsweise beim Kauf einer neuen Transceivers braucht man heute nicht mehr zu spekulieren; der gewachsene Konkurrenzdruck führt auch so schon zu niedrigstmöglichen Preisen. Und Flohmärkte finden bereits seit geraumer Zeit auch zu einem beträchtlichen Teil online statt, sei es auf eBay oder in entsprechenden Gruppen bei Facebook.
Letztlich ist dies auch gar nichts so grundlegend neues, sondern bloß die modernisierte Fortsetzung gedruckter Kleinanzeigen. Dennoch möchte ich abermals betonen, dass eine Aussage wie „das Internet ist schuld“ nicht sinnvoll ist, da ein Medium gar keine Schuld tragen kann, sondern höchstens die Menschen, die es nutzen. Außerdem wäre eine derart monokausale Betrachtung für einen komplexen Prozess viel zu eng. Und letztlich bringt die Suche nach einer Schuld in dieser Sache ohnehin niemanden weiter.
Was einer realen Veranstaltung gegenüber virtuellen Plattformen in jedem Fall vorbehalten bleibt ist der persönliche Kontakt, das Fachsimpeln, das Wiedersehen alter Bekannter und im Fall der Interradio natürlich auch das beliebte Vortragsprogramm. Doch all dies genügt nicht, um das Bestehen der Messe in ihrer gehabten Form zu legitimieren und zu sichern. Eine völlige Umstrukturierung unter Beibehalten des Namens würde diesem aber auch nicht gerecht, sodass es vermutlich die beste Wahl war, einen klaren Schlussstrich zu ziehen.
So traurig der Abschied auch ist, so hat er auch etwas Positives, denn es ist schließlich besser, in Würde und an dem Punkt aufzuhören, an dem es am schönsten ist. Sicher hätte es mit genügend Willenskraft Wege gegeben, die Messe noch für ein paar Jahre am Leben zu erhalten. Aber warum das Unweigerliche unnötig herauszögern? Nicht zuletzt verzögert sich dann auch die Suche nach zukunftsfähigeren Alternativen, wie einer derzeit diskutierten erweiterten Beteiligung von Funkamateuren an der Maker Faire in Hannover. Oder auch dem geplanten Funk.Tag in Baunatal, wenngleich dieser für Funkamateure aus der Region Hannover wegen der weiteren Anfahrt naturgemäß nicht dieselbe Attraktivität besitzt wie eine Veranstaltung „vor der Haustür“.
In jedem Fall respektiere ich die konsequente Entscheidung der Macher der Interradio und möchte an dieser Stelle allen, die in 34 Jahren an ihrer Organisation und Durchführung beteiligt waren meinen Dank für ihr Engagement aussprechen.
Mach’s gut, Interradio, es war schön mit dir. Doch seien wir nicht übermäßig traurig sondern blicken lieber in die Zukunft – denn solange der Amateurfunk mit der Zeit geht und aktiv gelebt wird, solange wird er auch nicht aussterben.